Mit Chamäleon-KI Objekte in Satellitenbildern schneller klassifizieren
Die von Drohnen und Satelliten aufgenommenen Bilder liefern Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine Fülle von Informationen. Diese Schnappschüsse geben entscheidende Einblicke in die Veränderungen auf der Erdoberfläche, z. B. in Tierpopulationen, Vegetation, auf der Meeresoberfläche treibendes Geröll und Gletscherbedeckung. Darüber hinaus können Fachleute neuronale Netze trainieren, um die Bilder in schwindelerregender Geschwindigkeit zu durchforsten und einzelne Objekte zu erkennen und zu klassifizieren. «Keines der derzeit verfügbaren KI-Programme kann jedoch sofort von der Erkennung eines Objekttyps auf einen anderen umschalten – etwa von Trümmern auf einen Baum oder ein Gebäude», sagt Prof. Devis Tuia, Leiter des Environmental Computational Science and Earth Observation Laboratory der EPFL. Das wollen Tuia und seine Kolleginnen und Kollegen zusammen mit Forschenden der Universität Wageningen (NL), des MIT, Yale und des Forschungszentrums Jülich (D) mit METEOR ändern – einer Chamäleon-Anwendung, die Algorithmen trainieren kann, um neue Objekte zu erkennen, nachdem sie nur eine Handvoll Bilder gezeigt bekommen hat.
Schon vier oder fünf qualitativ hochwertige Bilder genügen, um das System auf eine neue Aufgabe zu trainieren
Wenn es um die Klassifizierung von Bildern geht, können neuronale Netze in einem Wimpernschlag das leisten, wofür Menschen Stunden brauchen würden. Diese Netze werden anhand von Daten trainiert, die manuell beschriftet wurden – je mehr Daten in ein neuronales Netz eingespeist werden, desto genauer werden seine Ergebnisse sein. So können beispielsweise Bäume und Gebäude je nach Region, in der sie sich befinden, sehr unterschiedlich aussehen. Das bedeutet, dass den Algorithmen eines neuronalen Netzes viele verschiedene Bilder dieser Objekte gezeigt werden müssen, die unter vielen verschiedenen Bedingungen aufgenommen wurden, um sie zuverlässig erkennen zu können. «Das Problem in den Umweltwissenschaften ist, dass es oft unmöglich ist, einen ausreichend grossen Datensatz zu erhalten, um KI-Programme für unsere Forschungsbedürfnisse zu trainieren», sagt Marc Rußwurm, früher Postdoc an der EPFL und heute Assistenzprofessor an der Universität Wageningen in den Niederlanden. «Das gilt vor allem, wenn wir regionalspezifische Phänomene untersuchen wollen, wie das Aussterben einer einheimischen Baumart, oder wenn wir Objekte identifizieren wollen, die statistisch gesehen eine geringe Anzahl haben, aber weit verstreut sind, wie Meeresmüll.»
Eine weitere Herausforderung beim Training neuronaler Netze auf Luft- und Satellitenbildern ist die grosse Bandbreite der möglichen Bildauflösungen und Spektralbänder sowie die Art der verwendeten Geräte (z. B. Drohnen und Satelliten). Um dieses Problem zu umgehen, wurde METEOR so konzipiert, dass es anpassungsfähig und zum Meta-Lernen fähig ist – es nimmt im Wesentlichen Abkürzungen, die auf zuvor erfolgreich gelösten Aufgaben beruhen, aber in anderen Kontexten. «Wir haben Algorithmen und Methoden entwickelt, die es neuronalen Netzen ermöglichen, die Ergebnisse früherer Einsätze zu verallgemeinern und diese Anpassungsstrategie auf neue Situationen anzuwenden», sagt Rußwurm. Dank des neuartigen Ansatzes benötigt METEOR nur vier oder fünf gute Bilder eines Objekts, um ausreichend zuverlässige Ergebnisse zu liefern.
© 2023 Marc Rußwurm
Ausnutzung von Auflösungsunterschieden
Um ihre Anwendung zu testen, modifizierten die Entwicklerinnen und Entwickler ein neuronales Netzwerk, das darauf trainiert worden war, verschiedene Arten der Landnutzung auf der ganzen Welt anhand von Bildern bestimmter Regionen zu klassifizieren. Sie versetzten es in die Lage, fünf Erkennungsaufgaben auszuführen – Messung der Vegetationsbedeckung in Australien, Identifizierung von Abholzungszonen im brasilianischen Tropenwald, Bestimmung der Veränderungen in Beirut nach der Explosion im Jahr 2020, Aufspüren von Meeresmüll und Klassifizierung städtischer Gebiete in verschiedene Arten der Landnutzung (Industriegebiete, Gewerbegebiete sowie Wohngebiete mit hoher, mittlerer und geringer Dichte) –, wobei jedes Mal je nach Problemstellung eine kleine Anzahl hochauflösender Drohnenbilder und RGB-Satellitenbilder verwendet wurde. «Wir haben festgestellt, dass unsere Ergebnisse für diese Aufgaben bei der Anpassung mit METEOR mit denen von KI-Programmen vergleichbar waren, die über einen längeren Zeitraum und mit viel mehr Daten trainiert worden waren», sagt Rußwurm. Die Forschenden werden die Basis-KI nun auf eine Vielzahl von Aufgaben trainieren, damit sie ihre Chamäleonfähigkeiten weiter perfektionieren kann. So soll sie sich noch leichter an unzählige Erkennungsaufgaben anpassen können. Ausserdem wollen sie ihre Anwendung mit einer Benutzerschnittstelle kombinieren, so dass menschliche Nutzer auf qualitativ hochwertige Bilder klicken können, die das Programm des neuronalen Netzes vorschlägt: «Da dem Programm nur wenige Bilder gezeigt werden, ist die Relevanz dieser Bilder sehr wichtig», sagt Rußwurm.