Mini-Pankreas aus dem Biodrucker im Kampf gegen Diabetes

Das EPFL-Spin-off Readily3D hat ein neuartiges System entwickelt, das biologisches Gewebe in nur 30 Sekunden drucken kann. Die Technologie des Unternehmens wird in einem gross angelegten europäischen Projekt zur Entwicklung eines lebenden Modells der Bauchspeicheldrüse zum Testen neuer Medikamente eingesetzt.
© 2021 EPFL

Zuerst sieht man es als transparente Form auf einem Computerbildschirm – eine kleine elektronische Nachbildung der menschlichen Bauchspeicheldrüse. Dann, nur 30 Sekunden später, wird das Gewebe auf einem Bioprinter ausgedruckt, mit Blutgefässen und allem, was dazu gehört, aus einer Probe menschlicher Stammzellen. Diese erstaunliche Leistung ist dank einer revolutionären neuen Technologie möglich, die am Laboratory of Applied Photonics Devices (LAPD) der EPFL geschaffen und von Readily3D weiterentwickelt wurde. Ihre Technologie wurde kürzlich für den Einsatz im EU-geförderten Projekt Enlight* ausgewählt, das darauf abzielt, ein zuverlässiges lebendes Modell der Bauchspeicheldrüse zum Testen von Diabetes-Medikamenten zu entwickeln.

Die Bauchspeicheldrüse ist ein lebenswichtiges Organ, das sich direkt hinter dem Magen befindet. Sie hat mehrere Funktionen, wie z. B. die Produktion von Enzymen und Bikarbonaten, die für die Verdauung wichtig sind, und die Sekretion einer Vielzahl von Hormonen – einschliesslich Insulin, dem Hormon, das den Blutzuckerspiegel reguliert. Eine Erkrankung der Bauchspeicheldrüse führt daher häufig zu Diabetes, da die geschädigten Zellen nicht mehr das vom Körper benötigte Insulin produzieren können.

Weltweit sind über 450 Millionen Erwachsene an Diabetes erkrankt, davon 60 Millionen in Europa. In der Schweiz gaben im Jahr 2017 4,4 % der Bevölkerung an, dass bei ihnen die Krankheit diagnostiziert wurde. Und die Zahl der Patientinnen und Patienten wächst weltweit. Diabetes ist die zweithäufigste Ursache für Amputationen (nach Unfällen) und erhöht das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall um das Achtfache und für ein dialysepflichtiges Nierenversagen um das Neunfache. Diabetes ist auch die Hauptursache für Erblindung bei Erwachsenen.(Quellen: IDF Diabetes Atlas 2019 der Internationalen Diabetes-Gesellschaft und das European Diabetes Study Center (CeeD)). Methoden zur Verbesserung der Diabetes-Diagnose und -Behandlung könnten daher grosse Vorteile für das Gesundheitswesen bringen.

Ein erster Schritt

Die an der EPFL entwickelte Bioprinting-Technologie verwendet ein biologisches Gel, das die Stammzellen einer Patientin enthält. Ein Laser wird auf das Gel angewendet, um es durch Polymerisation zu verfestigen. Ort und Intensität des Laserstrahls können so gesteuert werden, dass nur die Bereiche des Gels verfestigt werden, die man für die Bildung des gewünschten Gewebes benötigt. «Einer der Hauptvorteile unserer Methode ist, dass sie Gewebe in einem einzigen Block erzeugen kann, was sie besonders nützlich für das Drucken von Weichgewebe wie Organen macht», sagt Paul Delrot, der CTO von Readily3D.

© 2021 EPFL/A.Herzog

Bioprinting-Gewebe hat zahlreiche Vorteile. Es kann massgeschneidert werden, da es aus den eigenen Stammzellen der Patientin hergestellt wird, und es macht Tierversuche überflüssig. «Ausserdem müssen Patienten nicht erst eine Reihe von Medikamenten ausprobieren, von denen einige unangenehme Nebenwirkungen haben können, bevor sie das richtige für sich finden», sagt Damien Loterie, der CEO von Readily3D.

«Ein System zu entwickeln, das 3D-Gewebe im Kubikzentimeter-Massstab drucken und die Funktionsweise einer lebenden Bauchspeicheldrüse originalgetreu nachbilden kann, ist eine grosse Herausforderung, die wir mit dieser Technologie hoffentlich meistern werden», sagt Christophe Moser, der Leiter von LAPD. Die Technologie könnte eines Tages auch für das Bioprinting anderer Gewebearten verwendet werden, um beispielsweise Behandlungen für Krebs zu entwickeln oder eventuell Transplantationsorgane herzustellen.

Weitere Informationen

Enlight-Projekt

Das Enlight-Projekt wurde mit 3,6 Millionen Euro aus dem EU-Rahmenprogramm Horizon 2020 gefördert, um innerhalb der nächsten drei Jahre das erste lebende Modell der Bauchspeicheldrüse zu entwickeln. Es wird von einem interdisziplinären Konsortium unter der Leitung des UMC Utrecht durchgeführt und umfasst die EPFL und die ETH Zürich in der Schweiz, die Universität Neapel Federico II in Italien, AstraZeneca in Schweden, Rousselot in Belgien, Readily3D in der Schweiz und die Giannino Bassetti Foundation in Italien.

Links

ENLIGHT-Projekt
Labor für angewandte Photonikgeräte LAPD
Readily3D-Website