Ein Neuro-Chip zur Behandlung von neurologischen Störungen
Mahsa Shoaran vom Integrated Neurotechnologies Laboratory der Fakultät für Ingenieurwissenschaft und Technologie hat in Zusammenarbeit mit Stéphanie Lacour vom Laboratory for Soft Bioelectronic Interfaces den NeuralTree entwickelt: ein Neuromodulationssystem mit geschlossenem Regelkreis auf einem Chip, das Krankheitssymptome erkennen und lindern kann. Dank eines hochauflösenden 256-Kanal-Sensor-Arrays und eines energieeffizienten Prozessors für maschinelles Lernen kann das System eine breite Palette von Biomarkern aus realen Patientendaten und Tiermodellen von Krankheiten in-vivo extrahieren und klassifizieren, was zu einem hohen Grad an Genauigkeit bei der Symptomvorhersage führt.
«NeuralTree profitiert von der Genauigkeit eines neuronalen Netzwerks und der Hardware-Effizienz eines Entscheidungsbaum-Algorithmus», sagt Shoaran, «es ist das erste Mal, dass wir eine so komplexe und dennoch energieeffiziente neuronale Schnittstelle für binäre Klassifizierungsaufgaben wie die Erkennung von Anfällen oder Zittern sowie für Mehrklassenaufgaben wie die Klassifizierung von Fingerbewegungen für neuroprothetische Anwendungen integrieren konnten.»
Die Ergebnisse wurden auf der IEEE International Solid-State Circuits Conference 2022 vorgestellt und im IEEE Journal of Solid-State Circuits, der führenden Fachzeitschrift für integrierte Schaltungen, veröffentlicht.
Effizienz, Skalierbarkeit und Vielseitigkeit
NeuralTree extrahiert aus den Gehirnströmen neuronale Biomarker – Muster elektrischer Signale, die bekanntermassen mit bestimmten neurologischen Störungen in Verbindung stehen. Anschliessend klassifiziert er die Signale und zeigt an, ob sie z. B. einen bevorstehenden epileptischen Anfall oder einen parkinsonschen Tremor ankündigen. Wird ein Symptom erkannt, wird ein Neurostimulator – der sich ebenfalls auf dem Chip befindet – aktiviert, der einen elektrischen Impuls aussendet, um es zu blockieren.
Shoaran erklärt, dass das einzigartige Design von NeuralTree dem System im Vergleich zum Stand der Technik ein noch nie dagewesenes Mass an Effizienz und Vielseitigkeit verleiht. Der Chip verfügt über 256 Eingangskanäle, im Vergleich zu 32 bei früheren Geräten mit eingebettetem maschinellem Lernen, so dass mehr hochauflösende Daten auf dem Implantat verarbeitet werden können. Das flächeneffiziente Design des Chips bedeutet, dass er auch extrem klein ist (3,48 mm2), was ihm ein grosses Potenzial für die Skalierbarkeit auf mehr Kanäle verleiht. Die Integration eines «energiebewussten» Lernalgorithmus – der Merkmale, die viel Strom verbrauchen, benachteiligt – macht NeuralTree ausserdem äusserst energieeffizient.
Zusätzlich zu diesen Vorteilen kann das System ein breiteres Spektrum an Symptomen erkennen als andere Geräte, die sich bisher hauptsächlich auf die Erkennung epileptischer Anfälle konzentriert haben. Der maschinelle Lernalgorithmus des Chips wurde mit Datensätzen von Epilepsie- und Parkinson-Patienten trainiert und klassifizierte voraufgezeichnete neuronale Signale aus beiden Kategorien genau.
«Soweit wir wissen, ist dies die erste Demonstration der Erkennung von Parkinson-Tremor mit einem On-Chip-Klassifikator», sagt Shoaran.
Selbstaktualisierende Algorithmen
Shoaran setzt sich leidenschaftlich dafür ein, neuronale Schnittstellen intelligenter zu machen, um eine effektivere Krankheitsbekämpfung zu ermöglichen, und sie blickt bereits auf weitere Innovationen voraus.
«Letztendlich können wir neuronale Schnittstellen für viele verschiedene Krankheiten einsetzen, und dafür brauchen wir algorithmische Ideen und Fortschritte beim Chipdesign. Diese Arbeit ist sehr interdisziplinär und erfordert daher auch die Zusammenarbeit mit Labors wie dem Laboratory for Soft Bioelectronic Interfaces, das modernste neuronale Elektroden entwickeln kann, oder mit Labors, die Zugang zu hochwertigen Patientendaten haben.»
Als nächsten Schritt möchte sie die Aktualisierung der Algorithmen auf dem Chip ermöglichen, um mit der Entwicklung der neuronalen Signale Schritt zu halten.
«Neuronale Signale verändern sich, so dass die Leistung einer neuronalen Schnittstelle mit der Zeit abnimmt. Wir versuchen immer, die Algorithmen genauer und zuverlässiger zu machen, und eine Möglichkeit, dies zu erreichen, wäre die Ermöglichung von On-Chip-Updates, also Algorithmen, die sich selbst aktualisieren können.»