Die Covid-Zertifikatspflicht ist nicht diskriminierend
Nachdem der Bundesrat die Zertifikatspflicht für Restaurants und andere öffentlich zugängliche Innenräume eingeführt hat, wird heftig diskutiert, ob es sich dabei um Diskriminierung gegenüber Ungeimpften handelt. Dabei werden sogar Vergleiche zur Apartheid in Südafrika oder der Verfolgung von Juden im Nationalsozialismus gezogen. Diese Vergleiche sind nicht nur absurd, sondern sie verwässern auch den Begriff der Diskriminierung und erodieren somit die Grundlage, um aktuell herrschende Ungerechtigkeiten anzusprechen. Während die Zertifikatspflicht zweifelslos eine Ungleichbehandlung darstellt, ist es anmassend, dabei von Diskriminierung zu sprechen.
Diskriminierung besteht «aus Handlungen, Praktiken oder Massnahmen, die Personen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe einen relativen Nachteil auferlegen.»1 Dabei ist entscheidend, dass sich die Ungleichbehandlung auf soziale Gruppen wie das Geschlecht, die Herkunft oder die Religionszugehörigkeit bezieht. Des Weiteren muss eine Massnahme einer objektiven Rechtfertigung entbehren um als diskriminierend zu gelten. Laut der Schweizerischen Verfassung ist dies nicht der Fall, wenn das öffentliche Interesse und der Schutz von Grundrechten Dritter im Vordergrund steht.
Heute spricht beim Rauchverbot in Restaurants schliesslich auch niemand von Diskriminierung gegenüber Rauchern. Die Gesundheit der nichtrauchenden Gäste und des Personals ist in diesem Fall höher zu gewichten als die Freiheit sich im Speisesaal eine Zigarette anzuzünden. Ähnlich verhält es sich mit der Gelbfieberimpfung in tropischen Ländern. Die öffentliche Gesundheit überwiegt auch hier die individuelle Freiheit der Touristen.
Alle haben die Wahl
Die Zertifikatspflicht auf eine Ebene mit der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Herkunft oder der Religion zu stellen, ist auch deshalb nicht zielführend, da Individuen ihr Geschlecht, ihre Herkunft, und bis zu einem gewissen Grad auch ihre Religion nicht selbst aussuchen. Bei der Zertifikatspflicht hat man neben dem Verzicht auf den Restaurantbesuch nach wie vor die Wahl sich impfen zu lassen. Da für die Grundversorgung, das heisst weder für den Supermarkt noch die öffentlichen Verkehrsmittel ein Zertifikat vorausgesetzt wird, kann niemand geltend machen, es herrsche de facto ein Impfzwang.
Diskriminierung würde dann vorliegen, wenn die Zertifikatspflicht zum Beispiel an eine bestimmte soziale Gruppe gebunden wäre, zum Beispiel nur für Menschen mit Migrationshintergrund gelten würde. Wenn jede Ungleichbehandlung zur Diskriminierung würde, verhöhnte das alle, die heute wegen ihres Geschlechts, ihrer Herkunft oder Religionszugehörigkeit tatsächlich benachteiligt werden.
Bildung ermöglichen
Komplizierter wird die Situation an Hochschulen, da ein Studium nicht mit einem Restaurantbesuch vergleichbar ist. Ohne die Möglichkeit sich zu testen oder Veranstaltungen online zu verfolgen, käme eine Zertifikatspflicht an Hochschulen für Studierende einer Impfpflicht nahe. Deshalb ist es zu begrüssen, wenn Hochschulen Veranstaltungen weiterhin online anbieten und kostenlose Testkapazitäten für Ungeimpfte aufrechterhalten. Dass von Zertifikatsgegnern nun die Forderung nach «Bildung für alle» laut wird, ist somit fehl am Platz, da ja genau dank des Zertifikats alle Studierende, auch die, die zu Hause suboptimale Bedingungen für ein Online-Studium haben, wieder an Veranstaltungen teilnehmen können. Daher verhindert eine Zertifikatspflicht nicht «Bildung für alle», sondern ermöglicht sie.
Zertifikatsgegner, die uneingeschränkte Grundrechte einfordern, vernachlässigen, dass ihre Freiheit, sich überall ohne Zertifikat zu bewegen, die Freiheit aller anderen tangiert. Ich sage es mit Daniel Koch, dem ehemaligen Beamten des Bundesamts für Gesundheit: «Jeder darf das Risiko auf sich nehmen, krank zu werden. Aber keiner hat das Recht, jemanden anzustecken.»2