Röntgenblick nach Herztransplantationen
Nach einer Herztransplantation ist eine der grössten Sorgen, dass das Immunsystem das neue Organ abstösst. Immunsuppressiva, also Medikamente, die das Immunsystem drosseln, verhindern Abstossungsreaktionen, sie verringern aber auch die natürliche Abwehr des Körpers gegen Krankheitserreger – es gilt also, einen optimalen Mittelweg zu finden.
Um festzustellen, ob ausreichend Immunsuppressiva gegeben werden, wird bei Kontrolluntersuchungen eine Gewebeprobe des transplantierten Herzens entnommen. Derzeit werden diese Proben unter einem Lichtmikroskop begutachtet, wofür sie zunächst fixiert, zugeschnitten und gefärbt werden müssen. Zeigen sich dann Immunzellen, die ins Gewebe eingewandert sind und Schaden verursacht haben, deutet dies auf eine Abstossungsreaktion hin und das klinische Fachpersonal entscheidet anhand des Schweregrades, ob die Person zusätzliche Immunsuppressiva einnehmen muss.
Nun hat eine neue Studie gezeigt, dass Phasenkontrastaufnahmen mit Synchrotronlicht nicht nur genauso gut geeignet sind wie die Lichtmikroskopie, um das entnommene Gewebe zu begutachten; sie könnten auch dazu beitragen, Immunsuppressiva gezielter zu verabreichen und so die Dosis zu reduzieren. Durchgeführt hat diese Studie ein Team aus klinischen und biomedizinischen Forschenden rund um Anne Bonnin, Wissenschaftlerin am Labor für Makromoleküle und Bioimaging am PSI. «Wir hoffen, dass diese Technik in Zukunft die Diagnostik bei Nachsorgeuntersuchungen nach Herztransplantationen verbessern kann», sagt Bonnin.
3-D-Aufnahmen von Herzgewebe
Im Rahmen einer kleinen Erststudie durchleuchteten die Forschenden an der TOMCAT-Strahllinie der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS Herzgewebeproben von dreiundzwanzig Menschen, die am Universitätsklinikum Zagreb ein neues Herz empfangen hatten. Langwierige Vorbereitungen und Färbungen entfallen; die Gewebeproben werden lediglich in Formalin fixiert und in fast natürlichem Zustand über etwa zwölf Minuten gescannt. Das Ergebnis sind hochaufgelöste 3-D-Aufnahmen, die sich am Computer beliebig drehen lassen. Ärzte und Pathologinnen können in das Herzgewebe reinzoomen und Details von weniger als einem Tausendstelmillimeter Grösse begutachten.
In der Studie begutachtete eine erfahrene klinische Pathologin diese 3-D-Aufnahmen sowie zweidimensionale Schnitte aus diesen Bildern und bewertete separat wie gewohnt den Grad der Abstossungsreaktion. Parallel dazu fand die klassische Diagnostik mit Lichtmikroskopie statt. Das Ergebnis: Die Bewertungen stimmten gut überein, was auch eine statistische Auswertung bestätigte. Dank der 3-D-Visualisierung wurde in einer der dreiundzwanzig Proben eine Fehldiagnose entdeckt, die mit der klassischen histopathologischen Diagnostik gestellt worden war.
Genau dieser dreidimensionale Charakter könnte ein Vorteil gegenüber dem etablierten Verfahren sein. «Auf 3-D-Aufnahmen der gesamten Probe kann beispielsweise ersichtlich werden, dass die Immunzellen nur in einen kleinen Teil der Probe eingewandert sind und der Schaden nicht so schlimm ist, wie es auf einem zweidimensionalen Ausschnitt erscheinen mag», erklärt Anne Bonnin. «In dem Fall ist es vielleicht doch nicht nötig, die Dosis des immunsuppressiven Medikaments zu erhöhen. Der Person blieben dann unnötige Nebenwirkungen erspart und dem Gesundheitssystem überflüssige Kosten für teure Medikamente.»
Grosse Folgestudie mit Herztransplantierten
Eine grössere Folgestudie, die das Potenzial der Methode weiter ausleuchten soll, hat bereits begonnen, finanziell unterstützt von der Croatian Science Foundation. Neben dem Universitätsklinikum Zagreb sind jetzt auch das University Hospital Dubrava in Kroatien und die Hospital Clinic de Barcelona in Spanien beteiligt und rekrutieren für die Studie Herztransplantierte.
Synchrotronlicht ist besonders intensives Röntgenlicht und eröffnet bei Untersuchungen Details, die bei Bestrahlen mit gewöhnlichem Röntgenlicht verborgen bleiben. Phasenkontrastaufnahmen mit Synchrotronlicht eignen sich hervorragend für biomedizinische Anwendungen. Die Gruppe um den PSI-Forscher Marco Stampanoni, in der Anne Bonnin arbeitet, hat an der SLS mit dieser Methode bereits unter anderem das Gefässsystem in Mäusegehirnen untersucht sowie Lungengewebe von Ratten während des Atmungsvorgangs. Auch haben sie das Herz eines menschlichen Fetus durchleuchtet, um herauszufinden, welche Fehlbildungen zu dem frühzeitigen Tod des Ungeborenen geführt hatten.
Für die Diagnostik in Spitälern könnte die Technik extrem nützlich sein. Langfristig soll es nicht mehr nötig sein, dass Spitäler ihre Proben an Grossforschungsanlagen wie die SLS senden müssen. «Wir hoffen, in naher Zukunft ein Röntgenphasenkontrastsystem entwickeln zu können, das solche 3-D-Bilder von Gewebe erzeugt und dabei so kompakt ist, dass es auch in Spitälern stehen könnte», sagt Anne Bonnin. PSI-Forschende arbeiten bereits daran, diese Zukunftsperspektive wahr werden zu lassen. Dafür modifizieren sie die Techniken, die sie an der SLS entwickelt haben, derart, dass sie sich auch bei Laborröntgenquellen einsetzen lassen.