Was zum Verschwinden von Insekten führt
In zwölf Forschungs- und zwei Meinungsartikeln machen Forschende aus Europa, Amerika und Australien deutlich, dass weltweit sowohl die Arten- und Individuenzahl und die Biomasse der Insekten abnehmen als auch die Gemeinschaften insgesamt einheitlicher werden. «So wie sich Landschaften zum Beispiel im Landwirtschaftsland ähnlicher werden, gleichen sich auch die Insektengemeinschaften an», sagt Mitherausgeber der Sonderausgabe Martin Gossner von der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Dieser Trend tritt weltweit in zahlreichen Ökosystemen auf, an Land und im Wasser.
Folge menschlicher Aktivitäten
Die Haupttreiber sind auf Grundlage der gesammelten Studien die Landnutzung, der Klimawandel und die Ausbreitung von nicht-einheimischen invasiven Arten. Zudem stehen diese Einflussfaktoren häufig auch in Wechselwirkung miteinander und verstärken so negative Effekte. Zum Beispiel sind durch intensive Landnutzung geschädigte Ökosysteme mitsamt ihrer Insektengemeinschaften empfindlicher gegenüber dem Klimawandel. Auch können invasive Arten vor allem in durch Landnutzung geschädigten Ökosystemen Fuss fassen und dort die heimischen Arten verdrängen.
«Grundsätzlich lässt sich sagen, dass vor allem Spezialisten unter den Insekten aussterben und Generalisten überleben. Daher gibt es vielerorts immer mehr ‹Allerweltsarten›, während Arten verschwinden, die für den einen oder anderen Lebensraum typisch sind», sagt Florian Menzel von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Die Folgen dieses Insektensterbens seien zahlreich und meistens negativ für die verbliebenen Ökosysteme.
Zu den in der Sonderausgabe erwähnten Beispielen gehört, dass der Artenschwund bei Hummeln zu einer Abnahme von Pflanzen geführt hat, die zur Bestäubung auf bestimmte Hummelarten angewiesen sind. Schwindende Artenvielfalt mindert die Stabilität von Ökosystemen: Weniger Arten bedeutet, weniger Arten, die Pflanzen bestäuben oder Schädlinge in Schach halten. Und es steht schlicht weniger Nahrung für insektenfressende Vögel und andere Tiere zur Verfügung. Damit kann ein Rückgang der Insekten auch zu deren Rückgang führen.
Mehr Hecken und Totholz
Auch wenn die Veränderungen lokal sehr unterschiedlich und noch nicht im Detail verstanden sind, steht für Gossner fest: «Wir wissen genug über die Situation der Insekten, um zu handeln.» Das bedeutet: «Es gilt die Landschaften aufzuwerten und wieder mehr Vielfalt in die Lebensräume zu bringen.» Im Wald brauche es mehr Strukturen wie Totholz, alte Bäume mit Unterschlupfen und Bereiche mit viel Licht sowie generell mehr Vielseitigkeit in der Landschaft. Im Landwirtschaftsland sind Hecken und Gehölze ein zentrales Element für die Vielfalt von Insekten, aber auch den von ihnen abhängigen Vögeln und Fledermäusen.
Weiter raten die Autorinnen und Autoren der Sonderausgabe dazu, miteinander verbundene Schutzgebiete einzurichten. Sie erlauben Arten, von einem Lebensraum zum anderen zu wandern, zum Beispiel aus durch die Klimaerwärmung unwirtlich gewordenen Gebieten in höher oder nördlicher gelegene, kühlere Regionen. Auch müsse mehr darauf geachtet werden, die Ausbreitung invasiver Tierarten durch den globalen Waren- und Reiseverkehr zu verringern. So haben beispielsweise eingeschleppte insektenfressende Fische in Brasilien zu einem starken Rückgang von Süsswasserinsekten geführt.