Das Licht im Innern des Tunnels
Es herrschen «dunkle» Zeiten am PSI in Villigen. Aber man sieht bereits, um die Metapher noch ein wenig mehr zu strapazieren, das Licht am Ende des Tunnels oder besser im Innern des Tunnels. Wir werden von Hans-Heinrich Braun, Projektleiter «SLS 2.0», empfangen, er führt uns zum expressivsten Bau am PSI. Seit gut zwanzig Jahren steht am südlichen Ende des Campus ein riesiges rundes Ufo: Die Synchrotron Lichtquelle Schweiz, kurz SLS, deren Ring das Kernstück der Anlage bildet. Hier kreisen Elektronen beinahe in Lichtgeschwindigkeit. Normalerweise.
Gleichzeitiger Auf- und Abbau
Bei einem Besuch im Oktober 2023 kreisen unter dem Dach nur zwei mächtige Industriekranbalken. Braun zeigt auf einen davon: «Den liessen wir extra einbauen, um den Umbau zu schaffen.» Um keine wertvolle Zeit zu verlieren, greift derzeit vieles ineinander, tatsächlich beobachten wir Auf- und Abbau gleichzeitig. Braun erläutert das Geschehen auf einem erhöhten Gehweg, mit bestem Blick hinunter auf die Anlage. Hier wird fleissig demontiert und abtransportiert, dort geschraubt und installiert. Etwas abseits steht bereits ein Abschnitt des neuen Synchrotrons, eine dünne Kupferröhre in einem Metallgerüst.
An der SLS bleibt derzeit kaum ein Stein auf dem anderen. 15 Monate wird die Anlage am Schluss stillstehen. Das ist eine lange Zeit, wenn man bedenkt, wie viele Experimente hier sonst gleichzeitig laufen: 16 sogenannte «Beamlines» werden vom Ring abgezweigt zu den Experimentierstationen, die ringsum in der Halle verteilt sind. Hier wird das Röntgenlicht der SLS für wissenschaftliche Untersuchungen unter anderem in den Gebieten Physik, Materialwissenschaften, Chemie, Biologie und Medizin genutzt. Die Experimente, für die jedes Jahr mehr als 1000 Forschende aus dem In- und Ausland ans PSI kommen, reichen von der Analyse neuartiger Materialien bis zum Studium von Proteinkristallen.
Balance zwischen Service und Innovation
Gerade für letzteres wird die Anlage auch gern von Industriepartnern genutzt. Das PSI arbeitet dabei eng mit Pharmafirmen zusammen und die dabei benutzten Methoden sind derzeit der Goldstandard zur Aufklärung komplexer Proteinstrukturen. Es betreibt somit nicht nur Grundlagenforschung, sondern ist auch Dienstleister für die Industrie. Kann man den Partnern die Pause während des Umbaus zumuten? Man steht ja in Konkurrenz mit anderen Synchrotron-Anlagen? Im Gegenteil, sagt Braun, heikel wäre es, keinen Umbau zu machen. «Die besten Forschenden gehen zu den besten Anlagen.» Und nach zwanzig Jahren erfolgreichen Betriebs drohe man ohne ein umfassendes Update den Anschluss an die technischen Entwicklungen zu verlieren.
Prototypen aus der eigenen Werkstatt
Es habe sich insofern als Glücksfall erwiesen, dass die Synchrotronanlage in Grenoble, die European Synchrotron Radiation Facility (ESRF), ihren Umbau gerade hinter sich habe, «wir haben da sozusagen ein Tauschgeschäft gemacht». Während des dortigen Shutdowns seien Experimente nach Villigen gekommen. Nun dürfen Forschungsteams nach Grenoble ausweichen. Natürlich will man die Topleute danach wieder eng ans PSI binden, genau darum geht es beim Umbau. Man sieht und hört die Vorfreude, wenn Braun von der neuen Anlage erzählt, die hier am Entstehen ist: Nach dem Umbau werde man über wesentlich intensivere Strahlungslinien verfügen, damit könnten dann auch Experimente realisiert werden, für die man mit der heutigen Anlage «für Jahre hätte messen müssen».
Allerdings bringe das mit sich, dass auch die Synchrotrontechnik wesentlich anspruchsvoller werde. Einige der Herausforderungen habe man in der PSI-eigenen Werkstatt zu lösen vermocht, seit einiger Zeit arbeite man da schon an den Prototypen für die State-of-the-Art-Magnete. Das verschaffe einen wesentlichen Vorteil im Austausch mit den Firmen, die mit der Fabrikation betraut wurden, man verhandle dann eher «auf Augenhöhe». Denn es gehe oft «um Prozeduren, die in keinem Lehrbuch stehen». Die Anforderungen an eine solche Anlage, die Genauigkeit, das Ultrahochvakuum, damit die Elektronen freie Bahn haben, das kenne man so ähnlich höchstens in der Chip-Herstellung.
Bewältigung der Komplexität
Braun hatte schon beim Bau des SwissFEL den Lead, da hat er gelernt, kein Detail aus dem Blick zu lassen, wie zum Beispiel die Verarbeitung der anfallenden Datenmengen, die bei Messungen an hochmodernen Anlagen enorm werden können. Das sei die eigentliche Herausforderung bei einem solchen Grossprojekt: all die verschiedenen Aspekte, die am Schluss perfekt ineinandergreifen müssten.
Neue Möglichkeiten für die nächste Generation von Forschenden
Wer sich das alles erklären lässt, bekommt grossen Respekt vor dieser Mammutaufgabe. Auch wenn in der Halle alles ruhig und konzentriert wirkt: Es lastet unweigerlich ein Druck auf denjenigen, die alles so planen und einrichten, dass der nächsten Generation von Forschenden neue Möglichkeiten eröffnet werden. «Wir wollen ja an die Grenzen des Machbaren gehen, wir wollen das Extrem ausprobieren.» Noch rund 400 Tage, dann sind die «dunklen» Zeiten vorbei.