«Ziel ist ein experimenteller Quantencomputer im Kanton Aargau»
Herr Aeppli, Herr Rüegg, der entscheidende Vertrag zum «ETH Zurich - PSI Quantum Computing Hub» wurde dieser Tage von beiden Seiten unterschrieben. Wie kommt es zu dieser Zusammenarbeit?
Aeppli: An der ETH wird vortreffliche akademische Forschung gemacht. Dort haben zwei Forschungsgruppen schon einzelne Quantenbits erschaffen und auch zusammengeschaltet. Auf diesem Erfolg wollen wir nun gemeinsam aufbauen und hochskalieren. Hochskalieren ist eine klassische Aufgabe im Ingenieurwesen. Und das bieten wir – neben eigener akademischer Erfahrung – hier am PSI.
Rüegg: Diese Zusammenarbeit war uns schon lange ein Anliegen. Und zum Glück war die ETH genauso daran interessiert wie wir. Namentlich Detlef Günther, Vizepräsident für Forschung, und ebenso Joël Mesot, der ja vor gut zwei Jahren vom Direktor des PSI zum Posten des Präsidenten der ETH Zürich gewechselt ist.
Aeppli: Letztlich war allen Beteiligten klar: Wir wollen als Schweiz hier nicht den Anschluss verpassen. Noch ist die Architektur von skalierbaren Quantencomputern nicht gefunden. An der Lösung dieser entscheidenden Frage wollen wir mitarbeiten und von Anfang an führendes Expertenwissen in der Schweiz aufbauen.
Werden Quantencomputer irgendwann alle bisherigen Computer ersetzen?
Rüegg: Eher nicht. Quantencomputer sind nicht in allem den klassischen überlegen. Aber mit klassischen Computern ist es sehr mühsam, das Verhalten der kleinsten Bausteine der Materie zu berechnen – also die Quantenwelt. Das betrifft zum Beispiel die Festkörperphysik, Biologie und Chemie, also alle zentralen Forschungsthemen am PSI.
Aeppli: Derzeit nimmt man die komplexen Formeln der Quantenmechanik und füttert sie in klassische Computer. Die können einiges davon durchaus berechnen, aber für anderes bräuchten sie einfach so lange, dass es unmöglich wird. Ein Quantencomputer dagegen setzt ja selber Quantenmechanik ein und kann die Vorgänge, über die wir Bescheid wissen wollen, einfach direkt simulieren. Das wird dann unfassbar viel schneller gehen.
Rüegg: Wir wählen ja auch jetzt schon, mit welchem Mittel wir welches Rechenproblem angehen. Wenn ich zwei plus drei rechnen will, nutze ich gar keinen Computer, das geht schnell im Kopf. Für viele andere Rechnungen und Anwendungen benutzen wir PCs, Laptops oder Smart Phones. Simulationen des Wetters werden heute auf klassischen Supercomputern gemacht. Aber in unseren Laboren erforschen wir quantenmechanische Prozesse – und genau hier wird ein Quantencomputer uns wirklich eine Revolution bringen.
Sie werden Quantencomputer also hier bauen und auch gleichzeitig nutzen?
Rüegg: Richtig. Ein Quantencomputer, wie wir ihn mit der ETH Zürich am PSI realisieren, ist nicht eines Tages einfach fertig. Er wird eher eine Forschungsplattform sein. An ihm wird entwickelt, er wird getestet und genutzt, kontinuierlich verbessert und ausgebaut werden. Genau wie unsere Grossforschungsanlagen auch; um stets an vorderster Front Wissenschaft betreiben zu können.
Und wird es auch eines Tages Quantencomputer aus Massenproduktion geben?
Aeppli: Vielleicht nicht so bald komplette Quantencomputer. Aber ich würde schätzen, dass es Quantenprozessoren in rund einem Jahrzehnt als kommerzielle Massenware geben wird.
Zurück zum Quantum Computing Hub: Welche konkreten Schritte stehen jetzt an?
Aeppli: Nun werden die Forschungsgruppen gebildet, die vor Ort am PSI arbeiten werden. Geplant sind drei Gruppen: Die erste wird Qubits, also Quantenbits auf der Basis von Ionenfallen nutzen, um daraus einen Quantencomputer zu entwickeln. Die zweite hat das gleiche Ziel, aber auf der Basis supraleitender Qubits. Diese beiden Gruppen sind an thematisch entsprechende Forschungsgruppen an der ETH Zürich geknüpft, von wo aus die Professoren Jonathan Holme respektive Andreas Wallraff die wissenschaftliche Führung übernehmen. Das sind die beiden, die ich hier eingangs erwähnt hatte. Für die dritte Gruppe ist die Position der Gruppenleitung und Professur an der ETH Zürich noch ausgeschrieben und das Forschungsthema wird diese Person selbst bestimmen.
Drei Forschungsgruppen – wie viele Mitarbeitende bedeutet das?
Aeppli: Am PSI werden dafür bald rund 30 führende Fachleute angestellt sein.
Quantencomputer basieren also auf Quantenbits, die zusammengeschaltet werden müssen. Von wie vielen Qubits sprechen wir da und hat sich der Quantum Computing Hub konkrete Ziele gesetzt?
Rüegg: Unser erstes Etappenziel ist es, mit beiden Methoden – also Ionenfallen und supraleitenden Qubits – jeweils rund hundert Quantenbits zusammenzuschalten und diese beiden Varianten dann komplementär zu nutzen, zu vergleichen und zu erforschen.
Aeppli: Um von einem richtigen Quantenprozessor zu sprechen, braucht es etwa 10 Millionen rohe Qubits. Das ist also eine andere Hausnummer und um das zu schaffen wird es dann eher 100 bis 200 Mitarbeitende sowie externe Investoren und Industriepartner benötigen. Der Park Innovaare, der im Moment unmittelbar neben dem PSI gebaut wird, bietet zum Beispiel sehr interessante Möglichkeiten für Zusammenarbeiten mit der Hightech-Industrie.
Rüegg: Und das ist durchaus unser langfristiges Ziel. Wir wollen in ein paar Jahren sagen können: Im Kanton Aargau gibt es einen experimentellen Quantencomputer. Der wird der Wissenschaftsgemeinde in der Schweiz einmalige Möglichkeiten bieten, auf dem Gebiet des Quantum Computing und dessen Anwendungen gemeinsam zu forschen.