Nachhaltiges Wasserschöpfrad: Alte Technik neu gedacht

Ende März wurde in Steffisburg eine neuartige Wasserschöpfanlage in Betrieb genommen. Sie stellt sicher, dass trotz verbessertem Hochwasserschutz ein Nebenfluss der Zulg weiterhin mit Wasser versorgt wird. Es ist bereits das zweite Projekt dieser Art, an dem die Empa beteiligt ist – ein selbstangetriebenes Wasserschöpfrad, das sich an historischen Vorbildern orientiert.
Das neuartige Wasserschöpfrad fördert im Vollbetrieb rund 150 Liter Wasser pro Sekunde aus eigener Kraft. Bild: Empa

Um Steffisburg im Kanton Bern besser vor Hochwasser zu schützen, wurde die Zulg bei der «Müllerschwelle» um rund zwei Meter abgesenkt. Dennoch bleibt der Mühlebach weiterhin mit Wasser versorgt: Eine neuartige Wasserschöpfanlage pumpt das Wasser nach oben und leitet es in diesen Nebenfluss der Zulg. Angetrieben allein durch Wasserkraft, dreht sich ein über fünf Meter grosses Wasserrad – und bewegt über ein Zahnradgetriebe ein Schöpfrad, das rund 150 Liter Wasser pro Sekunde in eine Sammelrinne schüttet. Am 29. März 2025 wurde die historisch inspirierte Konstruktion offiziell eingeweiht und in Betrieb genommen.

Mehr Wasserkraft benötigt

Seit Jahrhunderten prägt der Mühlebach das Ortsbild von Steffisburg – einst als Energiequelle für mittelalterliche Gewerbebetriebe, später für Kleinfabriken, heute als Teil eines geschützten Erholungsraums. Die neue Wasserschöpfanlage sorgt dafür, dass er weiterhin Wasser führt. Ursprünglich war eine elektrische Schneckenpumpe geplant, doch die zuständigen Ingenieure suchten nach einer nachhaltigeren Lösung. Inspiration fanden sie in Glattfelden im Zürcher Unterland: Dort versorgt ein Wasserschöpfrad nach historischem Vorbild den Flusslauf mit Wasserkraft und dient auch als Blickfang im Naherholungsgebiet. Eine ähnliche Lösung erwies sich auch für Steffisburg als ideal – nachhaltig dank erneuerbarer Antriebsenergie und zugleich eine Attraktion für den Industrielehrpfad «Mühlebachweg» mit der historischen «Saagi» und dem «Fabriggli».

Daraufhin kontaktierten die Verantwortlichen Silvain Michel von der Empa-Abteilung «Mechanical Systems Engineering», der bereits am Wasserschöpfrad im Zürcher Unterland mitgewirkt hatte. Die technische Herausforderung bestand laut dem Empa-Ingenieur darin, die Wasserschöpfanlage an die Anforderungen in Steffisburg anzupassen. «Sie muss bei einem minimalen Abfluss der Zulg von einem Kubikmeter pro Sekunde mindestens 125 Liter Wasser in den Mühlebach speisen. Und selbst bei geringeren Zuflüssen müssen noch mindestens 100 Liter pro Sekunde gefördert werden, um die Biotope zu erhalten.» An bestimmten Tagen benötigt der Schaubetrieb der «Saagi am Mühlebach» sogar 150 Liter pro Sekunde.

Idee dank historischer Vorbilder

Da traditionelle Schöpfräder für die Gegebenheiten von Steffisburg nicht leistungsfähig genug waren, entwickelte Silvain Michel eine moderne Variante eines historischen Konzepts: das Zuppinger-Rad. Diese weitgehend in Vergessenheit geratene Konstruktion des Schweizer Ingenieurs Walter Zuppinger stammt aus dem Jahr 1849. Das sogenannte mittelschlächtige Wasserrad wurde speziell für geringe Gefälle optimiert. Seine hohe Effizienz wurde jedoch erst 2016 in aufwendigen Modellversuchen an der TU Darmstadt wissenschaftlich nachgewiesen und 2018 von der Universität Stuttgart bestätigt.

Auch Erfahrungen aus dem Glattfelden-Projekt flossen in das neue Konzept ein. Der entscheidende Unterschied: ein separates Antriebsrad, das über ein Zahnradgetriebe das Schöpfrad antreibt. «So kann jedes Rad mit seiner optimalen Drehzahl laufen – eine Voraussetzung für den maximalen Wirkungsgrad der Anlage», erläutert Michel, der die exakte Dimensionierung mithilfe selbst entwickelter Berechnungstools ermittelt hat. Bei der technischen Umsetzung war das Konstruktionsbüro EKZ in Thun als Partner beteiligt. Die endgültige Form der Anlage wurde mithilfe dynamischer Strömungssimulationen an der Empa und bei der CFD-Schuck GmbH optimiert.

Dass das Konzept funktioniert, bewies die Inbetriebnahme: Vor den Augen zahlreicher Gäste erreichte die Anlage die berechnete Leistung von bis zu 6,7 Kilowatt. Sie konnte bis zu 209 Liter Wasser pro Sekunde fördern – mehr als ausreichend für den Betrieb der historischen «Saagi».