Vernetzte Quantenforschung
Nach zwölf Jahren zieht Klaus Ensslin, ETH-Professor für Festkörperphysik und Direktor des kürzlich abgeschlossenen Nationalen Forschungsschwerpunkts Quantum Science and Technology (NCCR QSIT), eine positive Bilanz: «Wir haben in vielen Bereichen wichtige Durchbrüche erzielt und stehen heute in der Quantenforschung an einem ganz anderen Punkt als zu Beginn.» Heute gelinge es den Forschenden immer besser, Quantenobjekte zu komplexen Systemen zu verbinden, erklärt Ensslin. «Damit rückt beispielsweise das Ziel, Quantencomputer zu bauen, ein grosses Stück näher.»
Nach dem Abschluss des NCCR QSIT geht es nun darum, die Quantenforschung weiter voranzutreiben, damit die Schweiz ihre gute Position in diesem Bereich behaupten kann. In die Quantenforschung werden weltweit grosse Hoffnungen gesetzt; dementsprechend grosse Summen werden sowohl von nationalen Forschungsbehörden als auch von Konzernen weltweit investiert. Aus diesem Grund hat die ETH Zürich 2021 das Quantum Center gegründet, dem sich bisher 34 Professuren aus sechs ETH-Departementen angeschlossen haben. «Das Center soll die Quantenforschung der ETH Zürich gegen aussen sichtbar machen», erklärt ETH-Professor Andreas Wallraff, Gründungsdirektor des Quantum Centers. «Gleichzeitig soll es auch den internen Austausch intensivieren.»
Der Aufbau einer übergreifenden Struktur ist notwendig, weil die Quantenforschung längst keine exklusive Domäne der Physik mehr ist. Will man beispielsweise mit Quantenobjekten leistungsfähige Computer bauen, dann müssen viele dieser Objekte miteinander verbunden werden. Dazu braucht es neben dem Wissen der Physiker auch die Expertise von Ingenieurinnen und Informatikern.
Auf nationaler Ebene soll die neue Swiss Quantum Initiative den Zusammenhalt und den Austausch der Forschenden sicherstellen. «Die Initiative gibt der Quantenforschung zudem mehr Gewicht auf der nationalen Forschungsagenda», erklärt ETH-Professor Jonathan Home, Mitglied der Schweizerischen Quanten-Kommission der Akademie der Naturwissenschaften und Co-Direktor des Quantum Centers. «Dies ist wichtig, weil die Quantenforscher:innen von den gegenwärtigen politischen Differenzen zwischen der Schweiz und der EU direkt betroffen sind.» Da die Schweiz nicht mehr assoziiertes Mitglied beim EU-Forschungsrahmenprogramm Horizon ist, können Forschende aus der Schweiz auch nicht mehr am Quantum-Flaggschiff-Programm der EU partizipieren. Im Sinne einer Überbrückungsmassnahme hat der Bund deshalb den Schweizerischen Nationalfonds beauftragt, einen «Quantum Transitional Call» zu lancieren. Damit werden Mittel im Bereich Quantenforschung zur Verfügung gestellt, die sonst beim Quantum-Flaggschiff hätten beantragt werden können.
Vorbildlicher Studiengang
Mit Netzwerken und Zentren lässt es die ETH Zürich aber nicht bewenden. Sie setzt auch in der Lehre und bei der Infrastruktur wichtige Akzente. Bereits vor vier Jahren hat sie einen spezialisierten Masterstudiengang «Quantum Engineering» lanciert, zu dem jedes Jahr 30 bis 40 Kandidat:innen zugelassen werden. Der Studiengang ist sehr beliebt, weil die Studierenden bereits auf Stufe Master eng mit einer Forschungsgruppe zusammenarbeiten können. Das erfolgreiche Modell hat inzwischen auch andere Hochschulen zu vergleichbaren Studienangeboten inspiriert.
Schliesslich haben auf dem Campus Hönggerberg die Bauarbeiten zu einem wegweisenden Physikgebäude begonnen. Dort können ab 2029 tief unter dem Erdboden hochsensible Quantenexperimente durchgeführt werden. Durch eine aufwendige Bautechnik werden die Labors bestens vor externen Vibrationen, elektromagnetischen Feldern und Temperaturschwankungen geschützt.
Förderfokus Quantum Center
Die Unterstützung des Quantum Centers der ETH Zürich durch Donator:innen ermöglicht die Weiterentwicklung von Technologiegrundlagen für die Herstellung von Quantencomputern sowie ein Fellowship-Programm für herausragende Doktorierende und Postdocs.