Marke Eigenbau
Hinter einer Doppeltür im Untergeschoss des Laborgebäudes OLHB wird der grosse Traum jedes Hobbywerkers Wirklichkeit: Hier befindet sich die gutausgestattete Kleinwerkstatt Ost mit Werkbänken, Maschinen und gut bestückten Materialschränken.
«In der Werkstatt haben wir Zugang zu Werkzeugen, die im normalen Labor nicht existieren», sagt Andrés Laso, Techniker im Forschungsbereich Energie und Umwelt.
Laso zieht die Schubladen der Werkschränke auf, und es kommt ein beeindruckendes Sortiment an Gewindebohrern, Drehwerkzeugen und Fräsern zum Vorschein. Gleich daneben: ein kleines Lager an Maschinenelementen wie Schrauben, Muttern und Dichtungen. In den Regalen wiederum stapeln sich Metallstäbe, -platten und -blöcke in allen möglichen Formen, neben Klebstoff, Lötkolben, Schraubzwingen und vielem mehr.
Ganzer Stolz von Laso und den anderen Technikern sind die im Raum aufgestellten Werkzeugmaschinen, die Metall, Kunststoff oder andere Materialien fräsen, bohren, sägen oder schleifen. «Auf diesen Maschinen stellen wir Prototypen von Bauteilen her und haben auch die Möglichkeit, einfach schnell mal etwas auf Machbarkeit zu testen», sagt der gelernte Polymechaniker Laso.
Viele Maschinen sind konventioneller Art, sprich, sie werden per Hand und nicht über den Computer gesteuert. «Diese Maschinen sind uns die liebsten, denn für improvisierte Arbeiten und für Modifikationen an bestehenden Bauteilen eignen sie sich viel besser», sagt Laso. «Sie sind universell einsetzbar und die grosse Stärke von solchen Nutzerwerkstätten.» Es existiert aber auch eine computergesteuerte Fräsmaschine für kompliziertere Bauteilformen.
«Superabwechslungsreich»
Forschung findet nicht nur in hoch technisierten chemisch-biologischen Laboren und futuristisch anmutenden Grossforschungsanlagen statt, sondern auch in einer bodenständigen Werkstatt wie dieser. Denn bevor viele wissenschaftliche Experimente überhaupt erst starten können, gilt es, die komplexe Versuchsapparatur zusammenzubauen. Dafür benötigen die Forschenden Spezialteile, die eine ganz bestimmte Funktion erfüllen müssen – und da kommen die technischen Mitarbeitenden ins Spiel.
«Der Wissenschaftler oder die Wissenschaftlerin schildert mir das Problem und erklärt, welche Funktion das Experiment oder Werkstück erfüllen muss», erzählt Dominik Herrmann, Techniker im Forschungsbereich Nukleare Energie und Sicherheit. «Ich überlege dann, wie ich das Werkstück herstellen kann.» Im Hintergrund sorgen Herrmann und seine Kollegen so dafür, dass viele Experimente am PSI überhaupt erst stattfinden können.
Andrés Laso und Dominik Herrmann haben beide in den 1990er-Jahren am PSI eine Ausbildung zum Polymechaniker absolviert. Seit fünf Jahren sind sie als Techniker zurück am PSI, in einem «superabwechslungsreichen Allroundjob», wie sie es nennen.
Mal eben schnell was machen
Über zwanzig Techniker aus fünf verschiedenen Forschungsbereichen des PSI gehen in der Kleinwerkstatt Ost ein und aus und erschaffen dort das Zubehör für Experimente. «Dabei ist Spontaneität gefragt», erzählt Laso. «Oft wird morgens entschieden, dass wir etwas ausprobieren wollen – dann habe ich das nachmittags schon umgesetzt, und das Bauteil ist für erste Tests einsatzbereit.»
Nach solchen ersten Tests verbessert Laso das Bauteil je nach Bedarf weiter – dank der Werkstatt in räumlicher Nähe zum späteren Einsatzort sehr zeitnah. Manchmal geht es bei seiner Arbeit nur um minimale Anpassungen, es müssen beispielsweise ein paar zusätzliche Löcher gebohrt werden. «Manchmal geht es aber um komplexe Konstruktionen, an denen ich tagelang arbeite.»
Flexibel Bauteile schnell anpassen zu können, sei gerade an einem Forschungsinstitut wie dem PSI wichtig, ergänzt Dominik Herrmann. «Der Termin für die Messung an der Strahllinie ist schliesslich fix. Bis dahin muss oft das nötige Bauteil fertig sein.» Diese Spontaneität der Express-Kleinwerkstatt steht im Unterschied zu einer Auftragswerkstatt. Auch so eine existiert am PSI, und sie fertigt den Löwenanteil der Bauteile, die am PSI benötigt werden. Mitarbeitende stellen hier Bauteile nach Konstruktionszeichnungen her, allerdings in längerfristiger Planung. Die Auftragswerkstatt bietet noch viel mehr Möglichkeiten als die Kleinwerkstatt.
Gemeisterte Herausforderungen
Stolz präsentieren Laso und Herrmann ihre «Prunkstücke», wie sie sie selber nennen – Spezialanfertigungen, in die sie besonders viel Zeit, Mühe und Kreativität investiert haben. Darunter eine Messzelle aus einem hochtemperaturbeständigen Kunststoff und Keramik, die Dominik Herrmann gemäss Vorgaben eines Doktoranden entwickelte und baute. «Die Dimensionen wurden so gewählt, dass die Messzelle an der Schweizer Spallations-Neutronenquelle SINQ und in unserem Messlabor in die entsprechenden Halterungen des Detektors passt. Dies war wichtig, damit eine Messung direkt nach der Bestrahlung gemacht werden kann.»
Andrés Laso wiederum fertigte einen Probenhalter für die Vakuumkammer an, mit dem sich die Chemie am Phasenübergang zwischen Feststoffen und Gasen untersuchen lässt. Der Probenhalter ist so konstruiert, dass man mit Röntgenstrahlen auf die Probe schiessen kann und diese immer genau im Zentrum ist. Der Probenhalter muss tiefe Temperaturen von bis zu minus siebzig Grad Celsius aushalten können, sich aber auch von innen beheizen lassen. «Das Bauteil ist noch immer nicht ganz perfekt, ich arbeite immer noch dran», sagt Laso und lacht. Ein Perfektionist eben.
Myonenstopper
Lange an einem Bauteil gearbeitet hat auch Andreas Hofer, Techniker im Bereich Forschung mit Neutronen und Myonen. Dabei geht es um das geplante Mu3e-Experiment. Dieses grosse Experiment der Teilchenphysik sucht nach dem Zerfall eines bestimmten Teilchens, des Myons, in drei andere Teilchen, zwei Positronen und ein Elektron. Nach dem Standardmodell der Physik ist dieser Zerfall sehr unwahrscheinlich – wird er am PSI dennoch gemessen, bestätigt das, dass unsere derzeitige Sicht auf die Welt nicht der Wirklichkeit entspricht. «Das Experiment wird gerade aufgebaut und soll danach viele Jahre laufen», erklärt Andreas Hofer.
Für das Mu3e-Experiment benötigt man eine Struktur, auf die die Myonen auftreffen und die sie abbremst. Sie besteht aus zwei aluminiumbeschichteten Hohlkegeln unterschiedlicher Wandstärke, die sich an ihrer Basis treffen. «Meine Kollegen und ich bekamen den Auftrag, dieses Bauteil zu fertigen – und das hat etwa ein halbes Jahr gebraucht», sagt Hofer. Denn die Kegel bestehen aus sehr dünnen Folien, die homogen mit Aluminium beschichtet sein müssen.
Nach vielen Versuchen und dem Verwerfen von zunächst gut erscheinenden Vorgehensweisen kristallisierte sich eine Methode als ideal heraus: In der Werkstatt fertigte Andreas Hofer Werkstücke aus Kunststoff mit konischen Öffnungen, in die eine mit Aluminium beschichtete Folie eingebracht und so richtig geformt wird. «Ohne eine solche Werkstatt, wo wir jederzeit spontan die Maschinen benutzen können, wäre das kaum zu machen gewesen.»
Die Mitarbeitenden der Kleinwerkstatt sind mit ihrem Knowhow und ihrer Flexibilität eine wertvolle Unterstützung für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, damit Spitzenforschung überhaupt möglich wird. Bereits heute bestehen Pläne, dass die Kleinwerkstatt in grösseren Räumlichkeiten als offizielle Nutzerwerkstatt für das PSI Ost positioniert wird.