Schutz und Förderung einheimischer Flusskrebse
Sie sind gross – mit zehn bis 20 Zentimetern die grössten wirbellosen Tiere in den Schweizer Gewässern –, nachtaktiv und selbst bei Fischern und Naturforschern wenig bekannt: Einheimische Flusskrebse leben ein geheimnisvolles Leben fernab der Öffentlichkeit. Für das Flussökosystem übernehmen sie eine wichtige Funktion: Als Allesfresser bauen sie etwa Laubstreu oder Überreste toter Fische ab.
Nur noch selten landet so ein Flusskrebs in der Schweiz auf dem Teller. Das war früher anders: Die einheimischen Arten Steinkrebs, Dohlenkrebs und Edelkrebs waren in ganz Europa weit verbreitet und vor allem der Edelkrebs stand von der Antike bis Anfang des 20. Jahrhundert auf dem Speisezettel der Bevölkerung. Heute sind diese Arten aus den grossen Seen und Flüssen fast komplett verschwunden, weshalb sie vom Bund unter Schutz gestellt und als national prioritäre Arten definiert wurden.
Was ist geschehen? Und mit welchen Massnahmen fördert die Schweiz den Erhalt der noch übrig gebliebenen Populationen? Diese Fragen beantwortete der praxisorientierte Eawag-Kurs (PEAK) «Protection des écrevisses indigènes», der am 4. Juni in der Maison de la Rivière im waadtländischen Tolochenaz stattfand. Die Teilnehmenden waren Fachleute, die in der Praxis – zum Beispiel in den kantonalen Ämtern oder in Ökobüros – für den Schutz der einheimischen Flusskrebse zuständig sind.
Was ist mit den Krebsen geschehen?
In den letzten Jahrhunderten wurden die natürlichen Lebensräume der Flusskrebse durch den Einfluss des Menschen Stück für Stück zerstört. In vielen Gewässern fehlen naturnahe Strukturen, welche die Tiere als Unterschlupf nutzen können. Zudem leiden die Krebse unter der Belastung der Gewässer mit Pestiziden und Schwermetallen. Dramatisch verschärft hat sich die Situation, als ab dem 19. Jahrhundert nordamerikanische Krebsarten in Europa angesiedelt wurden, um den Rückgang der einheimischen Krebse zu kompensieren. Die invasiven Krebse erwiesen sich nicht nur als viel konkurrenzfähiger als die einheimischen und machten ihnen die Lebensräume zusätzlich strittig – sondern brachten auch die Krebspest nach Europa.
Während die gebietsfremden Krebse selbst schon sehr resistent gegen diese ebenfalls aus Amerika stammende Infektionskrankheit waren, kam es bei den einheimischen Krebsen zu einem dramatischen Rückgang. Noch heute kommt es immer wieder zu Ausbrüchen, bei denen sehr viele Tiere sterben.
Wie sieht die aktuelle Lage aus?
Heute sind die grossen Gewässer der Schweiz voller fremder Flusskrebse, die insgesamt vier Arten angehören: Kamberkrebs, Signalkrebs, Roter Amerikanischer Sumpfkrebs und Galizierkrebs. Die einheimischen Krebse wurden fast vollständig zurückgedrängt in Restbestände in Oberläufen, die weitgehend voneinander isoliert sind.
Um Steinkrebs, Dohlenkrebs und Edelkrebs zu schützen, hat der Bund 2011 den «Aktionsplan Flusskrebse Schweiz» ins Leben gerufen, der seitdem von den Kantonen umgesetzt wird. Das Ziel – die Bestände zu erhalten und nach Möglichkeit wieder zu vergrössern – ist nach zehn Jahren aktueller denn je.
Was tut die Schweiz?
Die Strategie von Bund und Kantonen umfasst mehrere Massnahmen, die im PEAK-Kurs vorgestellt und diskutiert wurden. Es handelt sich im Wesentlichen um:
- Bekämpfung der invasiven Flusskrebse: Zwar lässt sich die Situation vor Einführung der invasiven Arten nicht mehr wiederherstellen, aber die einheimischen Populationen können vor ihnen geschützt werden: zum Beispiel durch Abfischungen oder mit Krebssperren, die verhindern, dass die Invasoren in die Oberläufer der Flüsse eindringen, wohin sich die einheimischen Krebse zurückgezogen haben.
- Schutz- und Fördermassnahmen: Um die isolierten Populationen zu erhalten und zu vergrössern, müssen die Gewässer wieder ihren ökologischen Anforderungen angepasst werden, etwa mit einer naturnahen Ufergestaltung. Zudem versucht man, Lebensräume zu vernetzen.
- Zucht: Geeignete Gewässer können mit einheimischen Flusskrebsen aus Zucht wiederbesiedelt werden.
- Eindämmung der Krebspest: Da die Ausbrüche nur sehr schwer zu bekämpfen sind, ist es wichtig, den Erreger nicht zu verschleppen. Angler sollten ihr Zubehör desinfizieren, bevor sie in ein anderes Gewässer wechseln. Da auch Aquarientiere Träger der Krankheit sein können, dürfen sie nicht in Gewässern ausgesetzt werden.
2 Fragen an Christoph Vorburger
Welche Forschung macht die Eawag zu dem Thema?
Wir machen populationsgenetische Analysen der stark bedrohten Stein- und Dohlenkrebse. So können wir erkennen, wo es besonders wertvolle Populationen mit einer hohen genetischen Vielfalt gibt, welche Populationen voneinander isoliert sind und welche noch in genetischem Austausch stehen. Damit helfen wir den Kantonen beim Management der Populationen, für deren Schutz sie verantwortlich sind.
Die Koordinationsstelle Flusskrebse Schweiz (KFKS), welche die Aktionen der Kantone koordiniert, unterstützen wir ebenfalls bei solchen Analysen. Ein von der Eawag und der KFKS unterstütztes Dissertationsprojekt erarbeitete zudem ein Verfahren, mit dem der Krebspesterreger mittels Umwelt-DNA direkt aus Wasserproben nachgewiesen werden kann.
Was ist der Erfolg all dieser Bestrebungen zum Schutz der Krebse?
In den letzten Jahren sieht man: Es ist möglich, Gewässer so aufzuwerten, dass sie für die Krebse wieder bewohnbar sind. Von solchen Erfolgsgeschichten war im PEAK Kurs zu hören. Und in geeigneten Gewässern kann man erfolgreich Krebse aus Zucht wiederansiedeln. Besonders der Edelkrebs lässt sich auch in isolierten Stillgewässern gut schützen und nutzen. Trotz dieser erfreulichen Ergebnisse in einzelnen Regionen werden wir in der Schweiz den Ursprungszustand nicht wiederherstellen können.
Rückschläge sind leider häufig, wie zum Beispiel der kürzliche Ausbruch der Krebspest in einem aargauischen Dohlenkrebsbestand von nationaler Bedeutung. Insgesamt ist die Tendenz leider immer noch negativ. Wir brauchen weiterhin Schutzmassnahmen, um die restlichen Bestände erhalten zu können. Damit das auch in Zukunft gut funktioniert, braucht es die lokale Zusammenarbeit zwischen Fischern, Anwohnern, Naturschützer, Politikern. Und eben auch den Austausch mit Fachleute aus der Praxis, wie wir ihn in unserem PEAK-Kurs ermöglichen.