Wir haben es auf dem Teller

Wenig spricht dafür, dass unser Fleischkonsum bald sinkt. Im letzten Beitrag des Jahres erklärt Lukas Fesenfeld, warum er ein nachhaltiges Ernährungssystem dennoch für machbar hält.
Täglich ein Stückchen Welt? Wie und was wir essen ist einer der wichtigsten Hebel für mehr Nachhaltigkeit. (Bild: iStock/MimaCZ)

Weihnachten steht vor der Tür, und damit auch eine Reihe von Festessen – dieses Jahr wohl eher im kleineren Kreise. Nein, ich will Ihnen den weihnächtlichen Braten nicht verwehren. Das Jahresende bietet jedoch Gelegenheit, grundsätzliche Fragen zu reflektieren und sich seiner Haltung bewusst zu werden. So täuscht der festliche Anlass nicht darüber hinweg, dass wir unsere Essgewohnheiten und das Ernährungssystem verändern sollten.

Kaum ein Konsumbereich schadet der Umwelt so stark wie unsere Ernährung. Wie wir Nahrung produzieren zerstört weltweit Lebensräume und trägt zu Klimawandel, Artensterben und der Entstehung von Pandemien bei.1, 2 Eng verzahnt damit ist unser Speiseplan – vor allem unser Appetit auf Fleisch.

Zugegeben, die Fakten sind ernüchternd. Wenig deutet darauf hin, dass sich der globale Fleischkonsum einfach reduzieren lässt. Gewohnheit, Genuss, kulturelles Statussymbol und persönliche Freiheit sind nur einige der Gründe. Zwar stagniert der Konsum in gewissen Industrieländern auf hohem Niveau oder sinkt leicht, wie in der Schweiz. Doch in Entwicklungs- und Schwellenländern nimmt die Nachfrage stark zu.

Trotzdem bin ich zuversichtlich, dass der dringend notwendige Wandel unseres Ernährungssystems machbar ist.

Sensibilisierung steigt

Ein Grund ist, dass viele Menschen die Konsequenzen ihres Konsums nicht genügend verstehen. Geht es um den ökologischen Fussabdruck, denkt man eher ans Fliegen als ans Fleisch auf dem Teller. So wird auch unterschätzt, dass die tägliche Essenswahl eines der effektivsten Mittel ist, um Klima, Biodiversität und Lebensgrundlagen zu schonen.3
 

««Wir stehen am Anfang einer der wichtigsten technologischen Revolutionen der jüngeren Ernährungswirtschaft.»»      Lukas Fesenfeld

Doch das ändert sich. Das Wissen um den eigenen Fussabdruck wächst – nicht nur in Europa. Seit der Corona-Pandemie werden zudem vermehrt öffentliche Forderungen laut, das Ernährungssystem und die Tierhaltung grundlegend zu überdenken. Das schärft das Bewusstsein der Konsumentinnen und Konsumenten, auch beim Essen die Umwelt zu schützen.

Attraktive Alternativen und Essenskultur

Wir stehen am Anfang einer der wichtigsten technologischen Revolutionen der jüngeren Ernährungswirtschaft: Fleischsubstitute auf Pflanzenbasis bieten eine ernstzunehmende Alternative zu tierischen Produkten.4 Der Fleischersatz ist dabei täuschend echt und kann den Hunger auf Proteine nachhaltig bedienen.

Beachtliche Investitionen in diese aufkeimende Branche steigern die Qualität und verringern die Preise. Das macht Pflanzenfleisch immer akzeptierter – selbst wenn es hier um tiefgreifende Ernährungsgewohnheiten geht. Zudem verändert sich so die Essenskultur. Heute propagieren Influencer und Promis Veganes und Vegetarisches als neues Statussymbol – und nicht mehr das Angussteak.

Politikpakete schaffen Mehrheiten

Dieser Trend erhöht die Chancen für Anpassungen im Ernährungssystem. In einer Studie in Nature Food konnte wir zeigen, dass in China, Deutschland und den USA eine Mehrheit der befragten Bürger Massnahmen zur Reduktion des Fleischkonsums unterstützt – auch wenn dies höhere Preise und Eingriffe ins Privatleben bedeutet.5 Eine hohe Akzeptanz haben vor allem Politikpakete, die zugleich Massnahmen für Produktion und Konsum umfassen – also etwa das Tierwohl stärken, Steuern auf Fleisch erhöhen und niedrige Einkommen beim Kauf umweltfreundlicher Produkte entlasten.

Aus dem Energiesektor wissen wir zudem, dass sich um neue Technologien neue Interessensgruppen formieren. Es ist zu erwarten, dass auch die grüne Fleischindustrie an politischem Einfluss gewinnt. Gepaart mit dem Druck von Investoren auf Politik und Produzenten kann dies zu ökologischeren Rahmenbedingungen führen. Smarte Agrartechnik und Monitoring-Systeme erlauben es derweil, ökologische Standards in komplexen Wertschöpfungsketten transparent zu kontrollieren.

Wo Wandel ansteht, regt sich Widerstand. Um Mehrheiten zu gewinnen, ist die Kompensation der Verlierer oft unabdingbar. Hier kann die Food-Branche von den Erfahrungen der Energie- und Klimapolitik profitieren. Ein Transformationsfond für die Ernährungs- und Fleischindustrie, finanziert beispielsweise über CO2-Abgaben und staatliche Green Bonds, könnte die politische Machbarkeit entscheidend erhöhen.

Ein Hoffnungsfunken

Trotz aller Herausforderungen stimmt mich dies hoffnungsvoll, dass ein nachhaltiger Wandel der Ernährungswirtschaft möglich ist. Europa und die Schweiz könnten dabei eine Pionierolle einnehmen. Die Instrumente und Zutaten hierfür liegen auf dem Tisch.